Das mit der Spannung und dem Strom

F

Felix Opatz

Guest
Hallo Leute,

angeregt durch den Thread mit den Netzausfall-Logger und dem dort
geposteten URL ( http://bwir.de/schaltungen/ledan230v ) habe ich mal
wieder ein Verständnisproblem durchgekaut.

Was ich weiß: ein ohmscher Widerstand an Wechselstrom wird von einem
Strom durchflossen, dessen Verlauf dem der Spannung entspricht. Das
heißt, wenn U_max anliegt, fließt I_max und die Verlustleistung P ist
damit auch maximal (und auf der anderen Seite U_min mit I_min, was nach
"minus mal minus gibt plus" auch P_max ergibt).

Was ich zu wissen glaube: bei einem Kondensator ist Strom und Spannung
um 90° phasenverschoben, der Strom eilt 90° voraus. Damit ist jeweils
ein Wert von Strom/Spannung betragsmäßig maximal, während der andere 0
ist. Deshalb gibt es weniger Verlustleistung, und deshalb wird der
Kondensator in o.g. Schaltung auch eingesetzt (was im Text leider nicht
erwähnt wird, da steht im wesentlich "wird verwendet weil es geht").

Wie sieht jetzt aber die Verlustleistung aus? Immer wenn sich die Kurven
von U und I schneiden, haben sie ja das gleiche Vorzeichen, und das
Produkt der beiden müsste den Maximalwert annehmen. Aber genauso oft
kommt es vor, daß U auf U_max/2 und I auf I_min/2 stehen, und der
Physiker in mir weigert sich ein P mit negativem Vorzeichen zuzulassen.

Ich habe das Gefühl, soeben die Blindleistung entdeckt zu haben. Aus dem
Wikipedia-Artikel dazu werde ich aber nicht so richtig schlau, auch aus
der Erklärung was ein var ist. Falls ich also keine Wirkleistung habe (=
keine "normalen" Verbraucher im Stromkreis?), dann entsteht gemittelt
kein Verlust, weil "die negativen VA mit den positiven VA 0 ergeben"?
Und wenn ich im falschen Moment einschalte, und nur die negative
Halbwelle mitbekomme, sind alle Thermodynamiker sauer auf mich, weil ich
eine negative Leistung habe, die am Ende ihrer Umgebung Wärme entzieht?

Hilfääääää... kann das jemand in Ordnung bringen? :)
Mein Informatik-Studium hatte zwar zwei Semester lang eine Vorlesung zu
Physik dabei, und davon etwa zwei Monate Wechselstrom, aber irgendwie
ist wohl nix hängen geblieben :-/

Gruß,
Felix
 
Felix Opatz wrote:

Was ich weiß: ein ohmscher Widerstand an Wechselstrom wird von einem
Strom durchflossen, dessen Verlauf dem der Spannung entspricht. Das
heißt, wenn U_max anliegt, fließt I_max und die Verlustleistung P ist
damit auch maximal (und auf der anderen Seite U_min mit I_min, was nach
"minus mal minus gibt plus" auch P_max ergibt).
Ja. Zeitbereichsbetrachtung: U(t)=\hat{U}*cos(j\omega t), I(t) = U(t)/R.
=> P(t) = U(t)*I(t) = \hat{U}˛*cos˛(j\omega t)/R = 1/2 * ( 1 +
cos(2*j*\omega*t) )/R.
P_mittel = 1/T*\int\limits_0^T P(t)dt = \hat{U}˛/2*R

Daher übrigens die Definition U_eff=\hat{U}/sqrt(2).

Was ich zu wissen glaube: bei einem Kondensator ist Strom und Spannung
um 90° phasenverschoben, der Strom eilt 90° voraus. Damit ist jeweils
ein Wert von Strom/Spannung betragsmäßig maximal, während der andere 0
ist. Deshalb gibt es weniger Verlustleistung, und deshalb wird der
Kondensator in o.g. Schaltung auch eingesetzt (was im Text leider nicht
erwähnt wird, da steht im wesentlich "wird verwendet weil es geht").
Zeitbereichsbetrachtung: U(t)=\hat{U}*cos(j\omega t), I(t) = C*dU(t)/dt
=> P(t) = U(t)*I(t) = \hat{U}*cos(j\omega t) * C * j\omega * \hat{U} *
(-sin(j\omega t)) = -\hat{U}˛ * j * \omega * C * cos(j\omega t)*sin(j\omega
t) = -\hat{U}˛ * j * \omega * C * 1/2 * sin(2*j\omega*t).

P_mittel = 1/T*\int\limits_0^T P(t)dt = 0.

Wie sieht jetzt aber die Verlustleistung aus? Immer wenn sich die Kurven
von U und I schneiden, haben sie ja das gleiche Vorzeichen, und das
Produkt der beiden müsste den Maximalwert annehmen. Aber genauso oft
kommt es vor, daß U auf U_max/2 und I auf I_min/2 stehen, und der
Physiker in mir weigert sich ein P mit negativem Vorzeichen zuzulassen.
"Blindleistung pendelt zwischen Quelle und Verbraucher hin und her."

Und wenn ich im falschen Moment einschalte, und nur die negative
Halbwelle mitbekomme, sind alle Thermodynamiker sauer auf mich, weil ich
eine negative Leistung habe, die am Ende ihrer Umgebung Wärme entzieht?
Maxwell wird auch sauer. :) Hart einschalten geht schon mal gar nicht, da
I(t) = C*dU(t)/dt. U(t) unstetig -> große Sauerei. :) Das Zauberwort ist
"eingeschwungener Zustand", "steady state".

Man sagt U(t)=\hat{U}*Re{exp(j\omega t + \phi)}, vereinfacht das zu
U(t)=\hat{U}*exp(j\omega t + \phi)=\hat{U}*exp(\phi)*exp(j\omega t) und
sieht, daß alle Differentiationen auf eine Multiplikation mit j\omega
hinauslaufen, Integrationen auf Division durch j\omega. Und weils einfacher
ist, unterschlägt man den Term exp(j\omega t), weil man von einer im
gesamten System konstanten Frequenz ausgeht. Und so kommt man zur
sogenannten Zeigerdarstellung mit komplexen Zahlen.
Ist quasi eine Art "Schmalspur-Fouriertransformation".

Nun kann man Scheinleistung S = U * I^* definieren (S=P+jQ) und kommt auf
gar wunderliche Weise zum obigen Ergebnis. :)

Gruß
Henning
 
Hallo,

Felix Opatz schrieb:
Wie sieht jetzt aber die Verlustleistung aus? Immer wenn sich die Kurven
von U und I schneiden, haben sie ja das gleiche Vorzeichen, und das
Produkt der beiden müsste den Maximalwert annehmen. Aber genauso oft
kommt es vor, daß U auf U_max/2 und I auf I_min/2 stehen, und der
Physiker in mir weigert sich ein P mit negativem Vorzeichen zuzulassen.
Wieso?

Es wird in der Zeit gespeicherte Energie aus dem Kondensator ans Netz
abgegeben. Das Vorzeichen der Leistung kennzeichnet die Richtung des
Energietransfers, mehr nicht. Und das ist bekanntermaßen immer eine
Frage des Standpunkts. Man könnte einen Generator sogesehen auch als
Verbraucher mit negativer Leistung beschreiben.

Ich habe das Gefühl, soeben die Blindleistung entdeckt zu haben. Aus dem
Heureka!

Wikipedia-Artikel dazu werde ich aber nicht so richtig schlau, auch aus
der Erklärung was ein var ist. Falls ich also keine Wirkleistung habe (=
keine "normalen" Verbraucher im Stromkreis?), dann entsteht gemittelt
kein Verlust, weil "die negativen VA mit den positiven VA 0 ergeben"?
Ja.

Und wenn ich im falschen Moment einschalte, und nur die negative
Halbwelle mitbekomme, sind alle Thermodynamiker sauer auf mich, weil ich
eine negative Leistung habe, die am Ende ihrer Umgebung Wärme entzieht?
Letzteres wird nicht passieren. Wenn überhaupt, wird bei einem negativen
Verbrauch Leistung /abgegeben/.

Aber der Einschaltmoment hat schon Einfluss auf das Verhalten, ebenso
wie der initiale Ladezustand des Kondensators. Beim Kondensator äußert
sich das in einem mehr oder minder kräftigen Funken beim Einschalten.
Dabei wird definitiv Energie verbraucht ->Wirkleistung. Danach gilt
wieder das oben genannte.

Bei Spulen kommt es abhängig vom Einschaltzeitpunkt zu einem DC-Anteil,
der, wenn es keine anderen, begrenzenden Faktoren (Leistungswiderstände)
geben würde, ewig andauern würde.


Marcel
 
Felix Opatz schrieb:
Wie sieht jetzt aber die Verlustleistung aus? Immer wenn sich die Kurven
von U und I schneiden, haben sie ja das gleiche Vorzeichen, und das
Produkt der beiden müsste den Maximalwert annehmen. Aber genauso oft
kommt es vor, daß U auf U_max/2 und I auf I_min/2 stehen, und der
Physiker in mir weigert sich ein P mit negativem Vorzeichen zuzulassen.

Hallo,

der ideale, verlustfreie Kondensator hat keine Verlustleistung, sondern
nur Blindleistung. Da fliesst bis zum Spannungsmaximum soviel Energie in
den Kondensator hinein wie dann danach bis zum Spannungsminimum wieder
zurück zur Quelle fliesst.
Das negative Vorzeichen besagt nur das der Kondensator wieder Energie
abgibt und die Wechselsspannungsquelle diese aufnimmt.

Bye
 

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