Physikfrage...

E

Eric Bruecklmeier

Guest
Es gibt da eine Physikfrage, die mich seit längerem umtreibt. Irgendwie
komme ich nicht so recht weiter - vielleicht hat ja einer der Physiker
hier den entscheidenden Hinweis für mich.

Also: In vielen Quellen wird die magnetische Lorentzkraft auf die
elektrostatische Coloumbkraft zurückgeführt. Die Argumentation ist immer
die gleiche und auch recht schlüssig. Klassisches Beispiel: Zwei gleich
(gleiche Richtung, Stromdichte etc.) stromdurchflossene Drähte. Die
bewegten Elektronen im Draht A \"sehen\" die bewegten Elektronen im Draht
B in Ruhe, aber die (netto positiven) Restladungen im Draht B in
relativer Bewegung. Also tritt eine Lorentzkontraktion der positiven
Ladungen auf und deren Dichte erhöht sich damit (da die Ladung selbst
invariant ist). Als Folge tritt die Coloumbkraft auf. Man kann zeigen,
daß der klassische Ansatz über die Lorentzkraft des Magnetfelds das
exakt selbe Ergebnis für die Kraft liefert, wie der relativistische
Ansatz über die Lorentzkontraktion. Soweit alles völlig klar und plausibel.

Nun stellt sich mir aber die Frage, was mit einer ruhenden Ladung in der
Nähe eines stromdurchflossenen Leiters passiert. Annahme: Positive
Ladung in der Nähe eines stromdurchflossenen Drahtes. Aus Sicht der
Ruheladung ist die positive Ladungsdichte im Draht ebenfalls in Ruhe,
die negative Ladungsdichte ist aber relativ in Bewegung. Es sollte also
Lorentzkontraktion stattfinden und als Folge eine Coloumbkraft
auftreten. Die klassische Elektrodynamik sagt aber, daß auf eine ruhende
positive Ladung im magnetostatischen Feld des Drahtes keine Kraft wirkt.

Wo ist mein Denkfehler?

Interessanterweise drücken sich praktisch alle Autoren um dieses
Beispiel, bei denen sind immer beide Inertialsysteme irgendwie in
Bewegung. Siehe z.B. Demtröder EP2 ab 3.4.3.

P.S. Ich stelle die Frage absichtlich hier und nicht in d.s.p. weil ich
a) dort niemanden \"kenne\" und b) ein kurzer \"Blick\" hinein mir schon
gereicht hat.
 
Eric Bruecklmeier <u@5i7.de> writes:
Nun stellt sich mir aber die Frage, was mit einer ruhenden Ladung in der
Nähe eines stromdurchflossenen Leiters passiert.

Die traditionelle Sichtweise ist wohl die:

Die bewegten Ladungsträger im Leiter sind tatsächlich
Lorentz-kontrahiert.

Durch die Lorentz-Kontraktion ist ihre Ladungsdichte also erhöht.

Integriert man diese erhöhte Ladungsdichte über ein Stück des
Leiters, kommt man also zu einer erhöhten Ladung.

Man geht aber davon aus, daß der Leiter insgesamt elektrisch
neutral ist. (Weil eine etwaige Ladung sich schnell
ausgleichen würde, nehme ich an.)

Das heißt, daß diese erhöhte Ladung durch die entgegengesetzte
Ladung der ruhenden Ladungsträger genau ausgeglichen wird.

Daher spürt eine Probeladung in der Nähe des Leiters keine
elektrostatische Kraft.

Soweit die traditionalle Sichtweise.

Allerdings weist [1] darauf hin, daß Experimente [2] eine
Anziehung zeigen. Dies wird so begründet: Erstens gibt es
im Leiter eine Ladungsverteilung, welche durch die externe
Ladung induziert wird, selbst wenn kein Strom durch den Leiter
fließt. Außerdem gibt es noch eine zum Strom proportionale
Komponente, die in [1] berechnet und in [2] gemessen wurde.

Für die weiteren Details verweise ich auf [1].

[1]

\"The Electric Field Outside a Stationary Resistive Wire Carrying
a Constant Current\"

Assis et al. 1998/1999

[2]

Jefimenko, Am. J. Phys. 30, 19± 21 (1962).

O. D. Jefimenko, Electricity and Magnetism, 2nd edn. (Electret
Scientific, Star City, 1989).
 
Am 16.08.2023 um 11:31 schrieb Stefan Ram:
Eric Bruecklmeier <u@5i7.de> writes:
Nun stellt sich mir aber die Frage, was mit einer ruhenden Ladung in der
Nähe eines stromdurchflossenen Leiters passiert.

Die traditionelle Sichtweise ist wohl die:

Die bewegten Ladungsträger im Leiter sind tatsächlich
Lorentz-kontrahiert.

Durch die Lorentz-Kontraktion ist ihre Ladungsdichte also erhöht.

Integriert man diese erhöhte Ladungsdichte über ein Stück des
Leiters, kommt man also zu einer erhöhten Ladung.

Man geht aber davon aus, daß der Leiter insgesamt elektrisch
neutral ist. (Weil eine etwaige Ladung sich schnell
ausgleichen würde, nehme ich an.)

Das heißt, daß diese erhöhte Ladung durch die entgegengesetzte
Ladung der ruhenden Ladungsträger genau ausgeglichen wird.

Daher spürt eine Probeladung in der Nähe des Leiters keine
elektrostatische Kraft.

Soweit war ich schon, nur leuchtet mir in der *Argumentation* der
Unterschied zum außerhalb mitbewegten Ladungsträger nicht ein:

Ein Ladungsträger der außerhalb des Leiters mit der Driftgeschwindigkeit
der Leitungselektronen nebenher fliegt erfährt eine Lorentzkraft.

Ein ruhender Ladungsträger neben dem stromdurchflossenen Leiter erfährt
keine Lorentzkraft.

Obwohl in beiden Fällen der Leiter neutral ist und in beiden Fällen eine
Relativgeschwindigkeit (in Höhe der Driftgeschwindigkeit) zwischen dem
externen Ladungsträger und einer Sorte Ladungen im Leiter besteht. Das
scheint mir irgendwie nicht schlüssig. Aber es kann gut sein, daß ich
etwas fundamentales übersehe.

Soweit die traditionalle Sichtweise.

Allerdings weist [1] darauf hin, daß Experimente [2] eine
Anziehung zeigen. Dies wird so begründet: Erstens gibt es
im Leiter eine Ladungsverteilung, welche durch die externe
Ladung induziert wird, selbst wenn kein Strom durch den Leiter
fließt. Außerdem gibt es noch eine zum Strom proportionale
Komponente, die in [1] berechnet und in [2] gemessen wurde.

Für die weiteren Details verweise ich auf [1].

[1]

\"The Electric Field Outside a Stationary Resistive Wire Carrying
a Constant Current\"

Assis et al. 1998/1999

[2]

Jefimenko, Am. J. Phys. 30, 19± 21 (1962).

O. D. Jefimenko, Electricity and Magnetism, 2nd edn. (Electret
Scientific, Star City, 1989).

Schau ich mir an, Danke!
 
ram@zedat.fu-berlin.de (Stefan Ram) writes:
\"The Electric Field Outside a Stationary Resistive Wire Carrying
a Constant Current\"

Weitere Quellen:

\"The charge densities in a current-carrying wire\", Denise C.
Gabuzda, 1991/1992

\"Current-Carrying Wires and Special Relativity\", Paul van Kampen,
2012

\"Charge Density in a Current-Carrying Wire\", Kirk T. McDonald,
2010/2019

(McDonald: \"Discussions of the force on a charged particle
outside a current-carrying wire often assume that the wire is
electrically neutral. This problem explores how this assumption
is not quite correct for resistive, current-carrying wires.\")

\"Theoretical definitions of length and charge and second-order
electric fields from steady currents\", Tomislav Ivezić, 2015?

(Ivezić behandelt anscheinend die Frage der Längenkontraktion
eingehend.)

\"Charges and Fields in a Current-Carrying Wire\", Dragan V Redžić,
2011.
 
Eric Bruecklmeier wrote:
Ein Ladungsträger der außerhalb des Leiters mit der Driftgeschwindigkeit
der Leitungselektronen nebenher fliegt erfährt eine Lorentzkraft.

Ein ruhender Ladungsträger neben dem stromdurchflossenen Leiter erfährt
keine Lorentzkraft.

Stefan sagte, sie sei auch im zweiten Fall gemssen worden. Ich stelle
mir das schwierig vor, denn die elektrischen Kräfte auf eine freie
Ladung dürften allein durch induzierte Verschiebung erheblich größer
sein.

Ansonsten hat ein unbeschleunigtes System keinen Bezugspunkt. Im ersten
Fall ruhen der Ladungsträger und die Driftelektronen und der Draht
bewegt sich relativ, im zweiten ruht der Draht und die Elektronen
bewegen sich. Beides scheint mir bis auf das Vorzeichen der bewegten
Ladungsträger identisch.


--
/¯\\ No | Dipl.-Ing. F. Axel Berger Tel: +49/ 221/ 7771 8067
\\ / HTML | Roald-Amundsen-Straße 2a Fax: +49/ 221/ 7771 8069
 X in | D-50829 Köln-Ossendorf http://berger-odenthal.de
/ \\ Mail | -- No unannounced, large, binary attachments, please! --
 
Am 16.08.2023 um 11:55 schrieb Axel Berger:
Eric Bruecklmeier wrote:
Ein Ladungsträger der außerhalb des Leiters mit der Driftgeschwindigkeit
der Leitungselektronen nebenher fliegt erfährt eine Lorentzkraft.

Ein ruhender Ladungsträger neben dem stromdurchflossenen Leiter erfährt
keine Lorentzkraft.

Stefan sagte, sie sei auch im zweiten Fall gemssen worden.

Es geht mir eigentlich gar nicht darum, was tatsächlich auftritt - ich
verstehe die Differenzierung in der Argumentation nicht.

Ich stelle
mir das schwierig vor, denn die elektrischen Kräfte auf eine freie
Ladung dürften allein durch induzierte Verschiebung erheblich größer
sein.

Ansonsten hat ein unbeschleunigtes System keinen Bezugspunkt. Im ersten
Fall ruhen der Ladungsträger und die Driftelektronen und der Draht
bewegt sich relativ, im zweiten ruht der Draht und die Elektronen
bewegen sich. Beides scheint mir bis auf das Vorzeichen der bewegten
Ladungsträger identisch.
das ist das Problem.
 
Eric Bruecklmeier <u@5i7.de> writes:
Obwohl in beiden Fällen der Leiter neutral ist und in beiden Fällen eine
Relativgeschwindigkeit (in Höhe der Driftgeschwindigkeit) zwischen dem
externen Ladungsträger und einer Sorte Ladungen im Leiter besteht.

Ich verstehe es so, daß man annimmt, daß der Leiter im Laborsystem
neutral ist, weil ein geladener Leiter im Laborsystem sofort
durch Ströme wieder neutralisiert werden würde. So schreibt Feynman
in [1]:

|The density of the charges at rest in S is ρ₊, which must be
|equal to the negative of ρ₋, since we are considering an
|uncharged wire. There is thus no electric field outside the
|wire, and the force on the moving particle is just

Aber diese Annahme muß nicht für andere Inertialsysteme gelten, in
denen ein unendlich langer Leiter durchaus geladen erscheinen kann.
So schreibt Feynman in [1]:

|If there is any force on the particle, it must come from an
|electric field. It must be that the moving wire has produced
|an electric field. But it can do that only if it appears
|charged - it must be that a neutral wire with a current
|appears to be charged when set in motion.

.

[1]

Abschnitt \"13-6 The relativity of magnetic and electric
fields\" in \"The Feynman Lectures on Physics\", Vol. 2
\"mainly electromagnetics and matter\".
 
Am 16.08.2023 um 12:07 schrieb Stefan Ram:
Eric Bruecklmeier <u@5i7.de> writes:
Obwohl in beiden Fällen der Leiter neutral ist und in beiden Fällen eine
Relativgeschwindigkeit (in Höhe der Driftgeschwindigkeit) zwischen dem
externen Ladungsträger und einer Sorte Ladungen im Leiter besteht.

Ich verstehe es so, daß man annimmt, daß der Leiter im Laborsystem
neutral ist, weil ein geladener Leiter im Laborsystem sofort
durch Ströme wieder neutralisiert werden würde. So schreibt Feynman
in [1]:

|The density of the charges at rest in S is ρ₊, which must be
|equal to the negative of ρ₋, since we are considering an
|uncharged wire. There is thus no electric field outside the
|wire, and the force on the moving particle is just

Aber diese Annahme muß nicht für andere Inertialsysteme gelten, in
denen ein unendlich langer Leiter durchaus geladen erscheinen kann.
So schreibt Feynman in [1]:

|If there is any force on the particle, it must come from an
|electric field. It must be that the moving wire has produced
|an electric field. But it can do that only if it appears
|charged - it must be that a neutral wire with a current
|appears to be charged when set in motion.

.

[1]

Abschnitt \"13-6 The relativity of magnetic and electric
fields\" in \"The Feynman Lectures on Physics\", Vol. 2
\"mainly electromagnetics and matter\".

Das scheint es zu sein. Obwohl ich gerade Feynman dazu intensiv
konsultiert hatte, fiel mir das nicht auf. Danke!
 
Eric Bruecklmeier schrieb:
Am 16.08.2023 um 11:31 schrieb Stefan Ram:
Eric Bruecklmeier <u@5i7.de> writes:
Nun stellt sich mir aber die Frage, was mit einer ruhenden Ladung in der
Nähe eines stromdurchflossenen Leiters passiert.

Ich habe das Problem in ähnlicher Form AFAIR schonmal irgendwo gelesen;
IIRC ging das so:

Stromdurchflossener, aber insgesamt elektrisch neutraler(?!) Leiter.
Dabei besteht der Strom aus negativen Ladungsträgern. Die positiven
Ladungsträger im Leiter sind in Ruhe.
Neben dem Leiter befindet sich eine ruhende Ladung Q (Elektron).

1. Sichtweise, aus Sicht der ruhenden Ladung Q:
Da der Leiter elektrisch neutral ist, gibt es kein elektrostatisches
Feld (E-Feld) außerhalb des Leiters.
Der Strom (aus Elektronen) im Leiter erzeugt aber ein Magnetfeld (B-Feld).
D.h. die ruhende Ladung Q \"merkt\" kein E-Feld, aber ein B-Feld.
In dieser Situation wirkt *keine* Kraft auf die Ladung Q.

2. Sichtweise, aus Sicht der bewegten Ladungsträger (Elektronen):
Es fließt \"rückwärts\" ein Strom aus positiv geladenen Ionen im Leiter,
während die Elektronen im Leiter ruhen. Da der Leiter weiterhin neutral
ist(?!), gibt es (weiterhin) kein E-Feld. Allerdings gibt es (wieder)
ein B-Feld aufgrund des Stroms der positiven Ladungsträger.
Das Elektron Q außerhalb des Leiters bewegt sich ebenfalls \"rückwärts\".
D.h. die - jetzt bewegte - Ladung Q \"merkt\" kein E-Feld, aber ein B-Feld.
Da die Ladung Q jetzt *bewegt* statt ruhend ist, *wirkt* in dieser
Situation eine Kraft F, nämlich die Lorentzkraft.


D.h. je nach Sichtweise kommt man einmal zur Aussage \"es wirkt keine
Kraft auf Q\" oder \"es wirkt eine Kraft auf Q\".

Es kann sein, daß dies als Paradoxon irgendeinen Namen hat(?).


IIRC war die Auflösung des Paradoxons, daß aus Sichtweise der bewegten
Elektronen im Leiter der Leiter doch *nicht* *neutral* ist, was zu einem
(zusätzlichen) E-Feld führt, welches das B-Feld gerade so kompensiert,
daß doch keine Kraft auf Q wirkt:
Coulombkraft wegen E-Feld und Lorentzkraft wegen B-Feld heben sich
gegenseitig auf.

Die traditionelle Sichtweise ist wohl die:

Die bewegten Ladungsträger im Leiter sind tatsächlich
Lorentz-kontrahiert.

Durch die Lorentz-Kontraktion ist ihre Ladungsdichte also erhöht.

Integriert man diese erhöhte Ladungsdichte über ein Stück des
Leiters, kommt man also zu einer erhöhten Ladung.

Man geht aber davon aus, daß der Leiter insgesamt elektrisch
neutral ist. (Weil eine etwaige Ladung sich schnell
ausgleichen würde, nehme ich an.)

Das heißt, daß diese erhöhte Ladung durch die entgegengesetzte
Ladung der ruhenden Ladungsträger genau ausgeglichen wird.

Daher spürt eine Probeladung in der Nähe des Leiters keine
elektrostatische Kraft.

Soweit war ich schon, nur leuchtet mir in der *Argumentation* der
Unterschied zum außerhalb mitbewegten Ladungsträger nicht ein:

Ein Ladungsträger der außerhalb des Leiters mit der Driftgeschwindigkeit
der Leitungselektronen nebenher fliegt erfährt eine Lorentzkraft.

Ein ruhender Ladungsträger neben dem stromdurchflossenen Leiter erfährt
keine Lorentzkraft.

Obwohl in beiden Fällen der Leiter neutral ist und in beiden Fällen eine
Relativgeschwindigkeit (in Höhe der Driftgeschwindigkeit) zwischen dem
externen Ladungsträger und einer Sorte Ladungen im Leiter besteht. Das
scheint mir irgendwie nicht schlüssig. Aber es kann gut sein, daß ich
etwas fundamentales übersehe.

Wie gesagt dürfte es damit zusammenhängen, in welchem Bezugssystem der
stromdurchflossene Leiter überhaupt als neutral betrachtet wird.


Dazu fällt mir gerade ein weiteres Problem auf:
Wenn ich einen neutralen Leiter ohne Stromfluß habe, und dann fließt
\"plötzlich\" ein Strom durch den Leiter (z.B. weil ich den Strom
einschalte): Ist der Leiter dann noch elektrisch neutral?
Das Problem ist, daß sich dann Ladungsträger bewegen(!), was theoretisch
zur Lorentzkontraktion führen sollte.
(Oder doch nicht? Oder ist diese vernachlässigbar?)

--
> Eigentlich sollte Brain 1.0 laufen.
gut, dann werde ich mir das morgen mal besorgen...
(...Dialog aus m.p.d.g.w.a.)
 
Zusammenfassend kann man wohl sagen, daß das was als magnetisches Feld
bezeichnet wird, eine kleine Delle in der Raumzeit ist, die der im
Laborsystem ruhende Beobachter nicht sieht.
 
Eric Bruecklmeier <u@5i7.de> writes:
Zusammenfassend kann man wohl sagen, daß das was als magnetisches Feld
bezeichnet wird, eine kleine Delle in der Raumzeit ist, die der im
Laborsystem ruhende Beobachter nicht sieht.

Man könnte auch sagen, daß das magnetische Feld mit dem
elektrischen Feld zu einem Feldstärketensor verschmolzen ist,
und seitdem keine unabhängige Existenz mehr führt.

Die speziellen Relativitätstheorie kann als eine Theorie verstehen
werden, die uns sagt, daß Raum und Zeit als eine Einheit, die
Raumzeit, betrachtet werden müssen. Ein Punkt der Raumzeit ist
dann in einem bestimmten Bezugssystem durch die vier Größen
(t,x,y,z), also die Zeit und drei Raumkoordinaten bestimmt.

Genauso werden die drei Komponenten des elektrischen Feldes
E und des magnetischen Feldes B, dann zu den 16 Komponenten
des Feldstärketensors F zusammengefaßt.

F = ( 0 E_1 E_2 E_3 )
( -E_1 0 -B_3 B_2 )
( -E_2 B_3 0 -B_1 )
( -E_3 -B_2 B_1 0 )

. Die vier Maxwell-Gleichungen (im folgenden steht \"V\" für
Nabla, \"x\" für das Kreuzprodukt und der nachgestellte Punkt
für die Ableitung nach der Zeit):

V B = 0
V E = rho
V x E = - B.
V x B = j + E.

nehmen mit einer ebenfalls vier-dimensionalen Stromdichte J
dann die folgende einfache Form an:

dF = 0
DF = J

, wobei \"dF = 0\" mit dem äußeren Differential \"d\" ausdrückt,
daß die 2-Form F geschlossen ist (in diesem Absatz verwende ich
jetzt einige Begriffe aus Cartans Differentialformenkalkül, die
vielleicht nicht jedem geläufig sind). Mit \"D\" habe ich oben
das Kodifferential geschrieben. Mehr zu diesem eleganten
koordinatenfreien Formalismus findet man zum Beispiel in
Walter Thirrings Lehrbüchern der mathematischen Physik.
 
Am 28.08.2023 um 12:59 schrieb Stefan Ram:
Eric Bruecklmeier <u@5i7.de> writes:
Zusammenfassend kann man wohl sagen, daß das was als magnetisches Feld
bezeichnet wird, eine kleine Delle in der Raumzeit ist, die der im
Laborsystem ruhende Beobachter nicht sieht.

Man könnte auch sagen, daß das magnetische Feld mit dem
elektrischen Feld zu einem Feldstärketensor verschmolzen ist,
und seitdem keine unabhängige Existenz mehr führt.

Die speziellen Relativitätstheorie kann als eine Theorie verstehen
werden, die uns sagt, daß Raum und Zeit als eine Einheit, die
Raumzeit, betrachtet werden müssen. Ein Punkt der Raumzeit ist
dann in einem bestimmten Bezugssystem durch die vier Größen
(t,x,y,z), also die Zeit und drei Raumkoordinaten bestimmt.

Genauso werden die drei Komponenten des elektrischen Feldes
E und des magnetischen Feldes B, dann zu den 16 Komponenten
des Feldstärketensors F zusammengefaßt.

F = ( 0 E_1 E_2 E_3 )
( -E_1 0 -B_3 B_2 )
( -E_2 B_3 0 -B_1 )
( -E_3 -B_2 B_1 0 )

. Die vier Maxwell-Gleichungen (im folgenden steht \"V\" für
Nabla, \"x\" für das Kreuzprodukt und der nachgestellte Punkt
für die Ableitung nach der Zeit):

V B = 0
V E = rho
V x E = - B.
V x B = j + E.

nehmen mit einer ebenfalls vier-dimensionalen Stromdichte J
dann die folgende einfache Form an:

dF = 0
DF = J

, wobei \"dF = 0\" mit dem äußeren Differential \"d\" ausdrückt,
daß die 2-Form F geschlossen ist (in diesem Absatz verwende ich
jetzt einige Begriffe aus Cartans Differentialformenkalkül, die
vielleicht nicht jedem geläufig sind). Mit \"D\" habe ich oben
das Kodifferential geschrieben. Mehr zu diesem eleganten
koordinatenfreien Formalismus findet man zum Beispiel in
Walter Thirrings Lehrbüchern der mathematischen Physik.

Ja, das ist die klassische Betrachtungsweise - und?
 
Eric Bruecklmeier schrieb:
Zusammenfassend kann man wohl sagen, daß das was als magnetisches Feld
bezeichnet wird, eine kleine Delle in der Raumzeit ist, die der im
Laborsystem ruhende Beobachter nicht sieht.

Diese Sichtweise \"magnetisches Feld ist eine Delle in der Raumzeit\"
finde ich ziemlich gewagt.

Eine Delle in der Raumzeit kommt nach der üblichen Sichtweise AFAIK
durch (große) Massen zustande.

Sowohl elektrisches als auch magnetisches Feld sind in der Raumzeit
\"immer da\" (siehe: Feldstärketensor) und das ganze unabhängig von
irgendwelchen Beobachtern.
Was ein Beobachter x (der sich z.B. in einem Laborsystem befindet) davon
sieht, hängt natürlich von diesem Beobachter x ab.


Zudem trifft dies IMHO nicht den Kern des ursprünglich vorliegenden
Problems .
Wie ich schon schrieb, betrachtet man stromdurchflossene Leiter
üblicherweise als nach außen hin neutral.
In gewissen Situationen muß man aber genau diese Annahme hinterfragen
bzw. präzisieren \"in welchem Bezugssystem gilt diese Annahme?\".

Manchmal ist die exaktere Betrachtungsweise egal (Bsp.: 2
stromdurchflossene Leiter nebeneinander), manchmal aber eben nicht
(Bsp.: einzelne (ruhende) Ladung neben stromdurchflossenem Leiter).


--
> Eigentlich sollte Brain 1.0 laufen.
gut, dann werde ich mir das morgen mal besorgen...
(...Dialog aus m.p.d.g.w.a.)
 
Am 28.08.2023 um 20:11 schrieb Stephan Gerlach:
Eric Bruecklmeier schrieb:
Zusammenfassend kann man wohl sagen, daß das was als magnetisches Feld
bezeichnet wird, eine kleine Delle in der Raumzeit ist, die der im
Laborsystem ruhende Beobachter nicht sieht.

Diese Sichtweise \"magnetisches Feld ist eine Delle in der Raumzeit\"
finde ich ziemlich gewagt.

Damit kann ich leben.

Eine Delle in der Raumzeit kommt nach der üblichen Sichtweise AFAIK
durch (große) Massen zustande.

Sowohl elektrisches als auch magnetisches Feld sind in der Raumzeit
\"immer da\" (siehe: Feldstärketensor) und das ganze unabhängig von
irgendwelchen Beobachtern.

Genau da wäre ich mir nicht zu 100% sicher. Bzw. hängt das natürlich
stark von der Formulierung ab: Vielleicht könnte man sagen, daß Orte mit
B != 0 ein Szenario bieten, so daß ein bewegter Beobachter die
Lorentzkontraktion einer Ladungsdichte \"sieht\". Die Orte nennt man dann
von einem Magnetfeld erfüllt.

Was ein Beobachter x (der sich z.B. in einem Laborsystem befindet) davon
sieht, hängt natürlich von diesem Beobachter x ab.


Zudem trifft dies IMHO nicht den Kern des ursprünglich vorliegenden
Problems .
Wie ich schon schrieb, betrachtet man stromdurchflossene Leiter
üblicherweise als nach außen hin neutral.
In gewissen Situationen muß man aber genau diese Annahme hinterfragen
bzw. präzisieren \"in welchem Bezugssystem gilt diese Annahme?\".

Ja, eben - das entspricht doch der Frage, ob ein bewegter Beobachter die
Kontraktion sieht oder nicht.

Vielleicht verstehst Du mich auch völlig falsch, es geht mir weder um
ein Hegern, noch zweifle ich die klassische Elektrodynamik an. Ich frage
mich lediglich, ob man unter Zuhilfenahme der Lorentztransformationen
ohne den Begriff \"magnetisches Feld\" auskäme. Ich denke, das ginge - es
ist mir aber nicht wichtig genug, um Tage von Arbeit reinzustecken.
 
Stephan Gerlach schrieb:
Eric Bruecklmeier schrieb:
Zusammenfassend kann man wohl sagen, daß das was als magnetisches Feld bezeichnet wird, eine kleine Delle in der Raumzeit ist, die der im Laborsystem ruhende Beobachter nicht sieht.

Diese Sichtweise \"magnetisches Feld ist eine Delle in der Raumzeit\" finde ich ziemlich gewagt.

Eine Delle in der Raumzeit kommt nach der üblichen Sichtweise AFAIK durch (große) Massen zustande.

Sowohl elektrisches als auch magnetisches Feld sind in der Raumzeit \"immer da\" (siehe: Feldstärketensor) und das ganze unabhängig von irgendwelchen Beobachtern.
Was ein Beobachter x (der sich z.B. in einem Laborsystem befindet) davon sieht, hängt natürlich von diesem Beobachter x ab.

Zumindest für den Laien ist die Situation undurchsichtig.

https://de.wikipedia.org/wiki/Aharonov-Bohm-Effekt

Falsch aber lustig verkürzt: Das Magnetfeld ist auch da wenn es nicht da ist.

--
mfg Rolf Bombach
 
Eric Bruecklmeier schrieb:
> Am 28.08.2023 um 20:11 schrieb Stephan Gerlach:

[...]
Sowohl elektrisches als auch magnetisches Feld sind in der Raumzeit
\"immer da\" (siehe: Feldstärketensor) und das ganze unabhängig von
irgendwelchen Beobachtern.

Genau da wäre ich mir nicht zu 100% sicher.

Falls *keine* Ladung (und auch keine elektrischen Ströme) in der
Raumzeit vorhanden sind, dann dürfte das sogar stimmen :) .

Also z.B. ein Universum, in dem es nur Neutronen oder Neutrinos gibt.

Bzw. hängt das natürlich
stark von der Formulierung ab: Vielleicht könnte man sagen, daß Orte mit
B != 0 ein Szenario bieten, so daß ein bewegter Beobachter die
Lorentzkontraktion einer Ladungsdichte \"sieht\". Die Orte nennt man dann
von einem Magnetfeld erfüllt.

Wenn du hier von \"Ort\" sprichst, dann meinst du mutmaßlich nicht einen
Punkt in der (4-dimensionalen) Raumzeit, sondern einen \"klassischen\" Ort
im (3-dimensionalen) Raum.

[...]
Vielleicht verstehst Du mich auch völlig falsch, es geht mir weder um
ein Hegern, noch zweifle ich die klassische Elektrodynamik an. Ich frage
mich lediglich, ob man unter Zuhilfenahme der Lorentztransformationen
ohne den Begriff \"magnetisches Feld\" auskäme.

Vielleicht ungefähr in der folgenden Art:

Wenn es in einem Bezugssystem S in einem bestimmten Punkt ein
magnetisches Feld mit der Flußdichte B gibt, dann gibt es stets ein
(anderes) Bezugssystem S\', in dem das (dort gemessene) magnetische Feld
B\' verschwindet, d.h. B\'=0?
Und das magnetische Feld B in S kann dann irgendwie aus der elektrischen
Ladung im Bezugssystems S\' (deren Ladungsdichte in S anders gemessen
wird als in S\') sowie der Relativbewegung zwischen S und S\' erklärt werden.

Dabei könnte die (klassissche) Maxwell-Gleichung
rot(H) = j + d(D)/d(t)
eine Rolle spielen. Der Term d(D)/d(t) könnte sich bei Umsetzung deiner
Idee als problematisch erweisen, der ja bedeutet, daß ein Magnetfeld mit
der Feldstärke H auch *ohne* bewegte Ladungen erzeugt werden kann,
nämlich durch ein sich zeitlich veränderndes elektrisches Feld mit der
Flußdichte D.

Denn wenn ich dich richtig verstehe, beinhaltet deine Idee
\"eine Ladungsdichte \'erfährt\' in einem bestimmten Bezugssystem eine
Lorentzkontraktion\".


--
> Eigentlich sollte Brain 1.0 laufen.
gut, dann werde ich mir das morgen mal besorgen...
(...Dialog aus m.p.d.g.w.a.)
 
Am 31.08.2023 um 19:34 schrieb Stephan Gerlach:


[...]
Vielleicht ungefähr in der folgenden Art:

Wenn es in einem Bezugssystem S in einem bestimmten Punkt ein
magnetisches Feld mit der Flußdichte B gibt, dann gibt es stets ein
(anderes) Bezugssystem S\', in dem das (dort gemessene) magnetische Feld
B\' verschwindet, d.h. B\'=0?
Und das magnetische Feld B in S kann dann irgendwie aus der elektrischen
Ladung im Bezugssystems S\' (deren Ladungsdichte in S anders gemessen
wird als in S\') sowie der Relativbewegung zwischen S und S\' erklärt werden.

Ja, so in der Art war es gemeint. Das ist aber letztlich eine andere
Formulierung für \"...Orte mit B != 0 ein Szenario bieten, so daß ein
bewegter Beobachter die Lorentzkontraktion einer Ladungsdichte \"sieht\".
Die Orte nennt man dann von einem Magnetfeld erfüllt...\"

Dabei könnte die (klassissche) Maxwell-Gleichung
rot(H) = j + d(D)/d(t)
eine Rolle spielen. Der Term d(D)/d(t) könnte sich bei Umsetzung deiner
Idee als problematisch erweisen, der ja bedeutet, daß ein Magnetfeld mit
der Feldstärke H auch *ohne* bewegte Ladungen erzeugt werden kann,
nämlich durch ein sich zeitlich veränderndes elektrisches Feld mit der
Flußdichte D.

Tja, wenn an dem Ort mit H != 0 eine Wirkung des Magnetfeldes
festgestellt werden soll, dann muß sich dort eine bewegte elektrische
Ladung befinden. Und diese \"reagiert\" dann halt mit der Flußdichte.

Ich weiß nicht wie ich es griffiger ausdrücken soll. Es kommt wir so
vor, als wäre das Vorhandensein eines magnetischen Feldes letztlich eine
Option für eine bewegte elektrische Ladung an dieser Stelle mit einer
relativistisch kontaktierten Ladung zu interagieren.

Denn wenn ich dich richtig verstehe, beinhaltet deine Idee
\"eine Ladungsdichte \'erfährt\' in einem bestimmten Bezugssystem eine
Lorentzkontraktion\".

genau.
 

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